Ihr Lieben,
heute ist der zweite Weihnachtsfeiertag und ich muss sagen: bis jetzt ist es das herrlichste, entspannteste, gemütlichste Weihnachten seit langem. Keine Hektik, kein Stress - wahrscheinlich auch, weil wir im Vorfeld gut organisiert haben (nicht wie es so oft meine Natur ist...alles auf den letzten Drücker....) Und auch die Treffen mit den Menschen, mit denen wir Weihnachten feiern und die uns wichtig sind, sind dieses Jahr über die Feiertage super verteilt.
Was vor allem super schön ist: unsere Kinder haben sich sehr über ihre Geschenke gefreut und sind seit heilig Abend am spielen. Mal mit uns, mal alleine und wir Eltern hatten auch bereits ausgiebig Zeit zum entspannen - ich wünsche euch allen, dass es euch ähnlich geht und ihr die freien Tage geniesst!
Weihnachten. Das Fest der Liebe, der Familie und Freunde. Des innehaltens, nachdenkens, Themen und Situationen überdenkens. Des verzeihens. Mit diesem letzten Thema habe ich mich besonders vor Weihnachten, im Advent, beschäftigt. Denn ich habe es selbst - verziehen. Es war ein (langer) Weg, ein Prozess, der seine Zeit gebraucht hat und in dem ich mir selbst über einiges klar werden musste...mit mir - auch in dieser Hinsicht - ins reine kommen musste.
Dabei klingt es immer so einfach, "verzeihen". Und ist aber alles andere als leicht und daher auch nichts was man leichtfertig (und wirklich, ernsthaft) tut vor allem, wenn die Enttäuschung oder der Schmerz tief sitzt.
Ich hatte eine Freundin aus Kindertagen. Eine, mit der ich in der Tat durch dick und dünn gegangen bin, mit der ich aufgewachsen bin und ja, ich habe eine wirklich tolle, traumhafte Kindheit gehabt. Und ich bin davon überzeugt, dass mich diese tolle Kindheit auch in meinem Erwachsenenleben geprägt hat und für manche Situationen und Schicksalsschläge gestärkt hat. Meine damalige Freundin und ich waren unzertrennlich, kannten uns in- und auswendig - oft hat es nicht mal Worte gebraucht um den anderen zu verstehen oder zu wissen, was los ist.
Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich diese starke Bindung zu ihr einmal verlieren würde.
Aber so war es. Zunächst schleichend, weil wir unterschiedliche Schulen besuchten, dann mit einem Paukenschlag. Sie hat etwas getan, was einen grossen Vertrauensbruch dargestellt hat. Etwas wirklich heftiges, das eine weitere Freundschaft unmöglich gemacht hat. Und dabei habe ich es nicht mal von ihr erfahren, sondern durch Zufall von jemand anderem. Was es war, tut hier nichts mehr zur Sache. Ich betone es nur deshalb so, um zu verdeutlichen, dass es eben keine Kleinigkeit war und ich nicht launisch oder überreagiert habe. Meine Freundin hat mich damit unglaublich verletzt, zugegeben in einer Zeit, in der ich durch den plötzlichen Tod meiner Mutter ohnehin sehr verletzlich und verwundbar war. Es hat mir buchstäblich den Boden unter den Füßen weggerissen , sie - als enge Vertraute - nun auch noch zu verlieren.
Viele Jahre war ich geschockt, dann wütend, dann rasend, masslos enttäuscht und irgendwann nur noch unendlich traurig. Und dann - irgendwann, viele Jahre später - war meine Wut verraucht und meine Traurigkeit gewichen. Ich hatte mein Leben neu geordnet, habe wertvolle, wichtige Menschen getroffen aus denen enge, tolle Freundschaften entstanden sind. Aber immer, wenn ich durch meinen ehemaligen Heimatort fahre, läuft vor meinem inneren Auge ein kleiner Film ab. Überall sind Erinnerungen an eine schöne, längst vergangene Zeit und nicht selten sind diese auch mit der damaligen Freundin verbunden. Ich hab mir selbst die Frage gestellt, wie ich heute über sie, über den Vertrauensbruch und all das was war denke. Und ich habe festgestellt , dass da vor allem eines nicht mehr ist: Groll, Wut oder Ärger. Und auch ganz bewusst habe ich mich selbst dazu entschieden, nicht mehr wütend zu sein...und schon gar nicht zu verbittern. Das Leben ist einfach zu kurz dafür - findet ihr nicht?
Und so habe ich bereits letztes Jahr beschlossen, ihr ein paar Zeilen zu schreiben. Sie hat im Dezember Geburtstag und das wollte ich als Anlass nehmen. Aber letztes Jahr ist, wie ihr wisst, mein Schwiegervater verstorben und vieles - auch mein Brief an sie - ist dabei in den Hintergrund gerutscht. Diesen Dezember allerdings hatte ich mir ja aber ganz fest vorgenommen, Dinge, die mir wichtig sind, zu tun und nicht aufzuschieben. Und so habe ich mich hingesetzt und einen Brief an sie geschrieben.
Ich habe darin nichts beschönigt und ihr auch ganz deutlich mitgeteilt, wie es mir damals ging und wie ich gefühlt und gedacht habe. Ich bin der Meinung dass ich ihr das sogar schuldig bin, sodass sie zumindest eine Chance hat, mich zu verstehen...und vielleicht hat sie ja manchmal auch an mich gedacht und sich gefragt, wie alles so kommen konnte und was ich denke. Aber - und das war die Kernaussage meines (langen)Briefes - ich habe ihr geschrieben, dass ich ihr längst verziehen habe...und viel mehr noch, ich habe mich bei ihr bedankt! Bedankt für eine wirklich wundervolle Freundschaft damals und eine tatsächlich sehr schöne Kindheit. Und dies war mir auch ein sehr wichtiges Bedürfnis.
Heute - mit einigem Zeitabstand - sehe ich manches anders und vieles klarer. Und ich finde es ist nie zu spät, unausgesprochenes auszusprechen. Ich habe ihr einen Brief geschrieben, da ich nicht weiss, ob ich all das aus dem Brief in einem persönlichen Gespräch richtig in Worte hätte fassen können und ob ich mich überhaupt getraut hätte all das anzusprechen. Was war mein Ziel mit diesem Brief? Ganz einfach: ich habe tatsächlich und wahrhaftig verziehen, mein Herz ist nicht mehr voll Ärger, wenn ich ihren Namen höre oder an sie denke und meine Seele hat tatsächlich Frieden gefunden. Ich glaube nicht, dass wir noch einmal enge Freunde werden, denn dazu ist unser beider Leben viel zu unterschiedlich, ich habe viele wirklich sehr gute Freunde ohnehin und ich glaube auch, dass nach den vielen Jahren (über zwei Jahrzehnte...!) ein anknüpfen auch gar nicht mehr möglich oder nötig ist. Ich wollte mit dem Brief nur das geklärt und abgeschlossen haben - für sie und für mich. Uns beiden somit die Möglichkeit geben, diese unausgesprochene, ungeklärte Situation für uns beide abzuschließen und unseren Frieden damit zu machen.
Es ist doch so: jeder kennt jemanden, mit dem man sich (noch) nicht ausgesprochen hat, wo eine unsichtbare Wand dazwischen steht, weil man sich nicht traut, Dinge offen anzusprechen, über Gefühle und Meinungen zu reden. Wenn man sich dann mal (zufällig) sieht, ist es immer eine überspannte, unangenehme Situation, eine, aus der man sich am liebsten gleich herausziehen wollen würde. Manchmal geht es ja, so zu tun, als hätte man den anderen nicht gesehen...aber mal ehrlich: erwachsenes Verhalten geht anders...und eine Lösung des Problems ist es auch nicht. Und ich denke, dass ein "verzeihen" nicht so hoppla hop geht und es nicht richtig ist, vorschnell zu verzeihen. Man soll sich und seine Gefühle ja nicht selbst verleugnen, denn ich finde es ist wichtig, dass man sich selbst gut fühlt. Alles andere ist auch keine gute Basis für die Fortführung egal welcher Beziehung. Aber nach der Zeit des Trauerns, des Wütend-seins ist es auch wichtig, wieder Ruhe und Freude einkehren zu lassen und seinen inneren Frieden damit zu machen und zu finden. Sonst frisst dich das irgendwann selbst auf. Du bleibst wütend und vielleicht sogar verbittert und das kann keiner wirklich selbst für sich wollen. Es ist nicht immer leicht, das einem selbst das gelingt und bestimmt gibt es auch Situationen oder Fälle, in denen es nie gelingt. Aber ein Versuch, wirklich und wahrhaftig zu verzeihen, ist es wert.
Was aus dem Brief geworden ist? Nun. Er lag ein paar Tage unangerührt auf meinem Tisch. Dann habe ich ihn frankiert. Und schliesslich zögernd eingeschmissen.
Am Morgen des 24.12. lag ein kleiner Brief im Briefkasten. Er war von ihr. Sie schrieb, dass sie überrascht ist, Post von mir zu bekommen, dass sie sich aber freut und sehr gespannt ist, denn sie will ihn erst am heilig Abend öffnen. Ich weiß also, dass sie den Brief erhalten hat. Ob es mir wirklich gelungen ist , dass sie mich richtig versteht, ob sie sich nach lesen des Briefes immernoch freut und den Brief so auffasst, wie er gemeint ist...das weiss ich nicht. Ich kann es nur inständig hoffen ...aber das liegt nun nicht mehr in meiner Macht.
Ich habe ihr am Ende des Briefes geschrieben, dass ich mir gerade vorstelle wie sie jetzt lächelt und dass es mich sehr freuen würde, wenn es tatsächlich so wäre.
Und wenn ich das nächste mal durch meinen Heimatort fahre, werde ich an sie denken...und lächeln.
In diesem Sinne , Ihr Lieben
FROHE WEIHNACHTEN
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