Sonntag, 16. Februar 2020

"Besondere Begegnungen"










Ihr Lieben, 

Den nun folgenden Textvhabe ich ganz spontan, aus einem Gefühl heraus letzten Oktober verfasst..und ihn bis heute nicht veröffentlicht . Weil ich unsicher war, ob das was ich sagen möchte, auch richtig rüber kommt. Ob es nachvollziehbar ist und nicht zu "übertrieben" wirkt. Wie gesagt, ich hatte eine bestimmte Gefühlsstimmung. Und nun - fast ein halbes Jahr später veröffentliche ich ihn doch. Ich bin zwar immer noch unsicher, aber er erschien mir einfach zu schade, um im Archiv zu verstauben...

Kennt Ihr das: Ihr seid an einem Ort, an dem Ihr a) vorher noch nie ward oder aber auch b) früher einmal ward...oder ihr trefft Menschen die ihr a)noch nie vorher gesehen habt, die Euch aber inspirieren oder b) die ihr schon sehr lange nocht mehr gesehen habt...und diese Begegnung ruft in euch ganz neue Gedanken wach, wirbelt Gefühle und Erinnerungen auf, die Euch beschäftigen...

So ist es mir heute gegangen. Ich war in der Katharinenhöhe - einer Rehabilitationsklinik für krebskranke Kinder, in der ich vor 20(!) Jahren mein FSJ absolviert habe. Auch wenn diese Einrichtung gar nicht weit weg von meinem Zuhause ist, war ich dort seither nur ein oder zwei Mal. Ob bewusst oder unbewusst vermag ich gar nicht zu sagen...wie ein Kapitel eines Buches das zu Ende ist und geschlossen wird. Weitere neue Kapitel folgen und das eine Kapitel (ohne das es vielleicht auch die anderen Kapitel nicht in der Art und Weise gäbe) gerät in Vergessenheit. 

Heute jedenfalls hatte ich mich ehemaligen Arbeitskollegen, die ebenfalls vor 20 Jahren dort gearbeitet haben, als FSJ, als Erzieherin, als Praktikantin, als Zivi (gab es ja damals noch) getroffen. Leider konnte ich nur ein paar Stunden dabei sein, da ich noch andere Verpflichtungen hatte, aber ich bin froh, wenigstens kurz dazugekommen zu sein. Wir hatten ein Treffen mit dem Leiter der Klinik, der uns erzählt hat, wer vom Stammpersonal noch da ist oder wer in Rente gegangen ist und der uns auch durch die mittlerweile völlig neuen, modernen und tollen Räumlichkeiten geführt hat. Und als wir zu meiner "alten" Kindergruppe kamen, in der hauptsächlich tätig war, da hing an der Tür noch der gleiche Wochenplan (genauer gesagt die gleiche Kopiervorlage für den Wochenplan), wie zu meiner Zeit dort.  Und irgendwie war es wie ein Nachhausekommen, irgendwie aber auch völlig fremd (ja klar, es sind auch total andere neue Räume). Das war ein seltsames Gefühl. 

Und ich stand da und habe das alles einfach auf mich wirken lassen. Ich habe nie den Weg bereut, den ich eingeschlagen habe (weder beruflich noch privat). Und das tue ich jetzt auch nicht. Ich halte auch nichts davon, Dinge die nicht rückgängig zu machen sind zu bedauern, denn mein Weg war gut und alles hat auch irgendwie seinen Sinn - und ausserdem möchte ich immer nach vorne schauen. Aber zum ersten Mal nach all den Jahren, all der Zeit in der ich sehr wenig Gedanken an meine Zeit im FSJ "verschwendet" habe, habe ich mir gedacht, dass ich diese Zeit vermisse. Es war eine so manchmal energieraubende, anstrengende und unglaublich glücklich machende Arbeit. Es war soviel Sinn dahinter, was Du tust und Du hast tatsächlich von den erkrankten Kindern, oder von den Geschwisterkindern (die ein bisschen mehr Aufmerksamkeit so sehr genossen haben) oder von den Eltern so unglaublich viel zurück bekommen - das war genial, das war tief berührend und irgendwie auch unbeschreiblich! Ich meine hier nichts materielles, sondern schlichtweg aufrichtige Dankbarkeit, schonungslose Offenheit, unglaubliches Vertrauen und pure Herzlichkeit. In dieser Intensität und Häufigkeit habe ich das in meinen letzten 20 Berufsjahren nie wieder erlebt! Und dabei hatte ich auch in den Jahren nach meinem FSJ bis jetzt sehr viele, wunderschöne, bereichernde und /oder wichtige Begegnungen im Berufsleben. Natürlich hatte ich tolle Arbeitstage an denen ich nach Hause fuhr und mich freute, weil ich anderen geholfen hatte oder bei mir dachte: "Yes, das hast du gut gemacht". Aber wie gesagt, so häufig, so ehrlich und so intensiv....nie wieder. Ich habe damals ein Minigehalt bekommen und mir oft länger als 10 Stunden täglich den Arsch aufgerissen (die Arbeitszeitgesetze waren da noch nicht so streng / konkret), aber ich habe einen Sinn in all dem gesehen und ich habe es total gerne gemacht. Ich denke schon, dass die arbeitenden Menschen in der Katharinenhöhe auch heute noch diese Erfahrung in ihrem Arbeitsleben machen (ob es ihnen bewusst oder unbewusst ist...mir ist dieser Wert erst heute nochmal so RICHTIG bewusst geworden - nach 20 Jahren). Aber generell denke ich, dass in anderen Branchen (so wie ich sie in meinem Arbeitsleben kennengelernt habe) es so was nur vereinzelt gibt. Natürlich mag ich meine Arbeit sehr, ich habe mir meinen Weg bewusst heraus gesucht (okay und teilweise hat sich auch manches ohne mein Zutun ergeben) und selbstverständlich sehe ich in meinem heutigen Tun einen Sinn (sonst würde ich ja meinen Job wechseln). Aber wie gesagt, eine so intensive Zeit, eine so unmittelbare, wahre Reaktion auf meine Arbeit, das habe ich tatsächlich nie wieder gehabt. Ich weiß nicht, ob ihr das als Leser (die vielleicht eine ähnliche Erfahrung nicht gesammelt habt) nachvollziehen könnt, was ich meine. Diejenigen, die an dem Treffen dabei waren wissen es - und haben ganz ähnliche Empfindungen.

Jedenfalls war ich so beseelt von diesem Treffen, von diesem Zeitschritt zurück in die Vergangenheit, dass ich heute diese Zeilen einfach niederschreiben MUSSTE.

Alles, was ich bis jetzt erleben durfte - Höhen und Tiefen, alle Menschen, die mir begegnet sind, all diejenigen, die mir ans Herz gewachsen sind (und das sind nicht wenige - ich habe da viiieellll Platz 😉)...all das was ich lernen durfte, was mich geprägt hat, was mich zurückgeworfen und stärker gemacht hat...dafür bin ich unglaublich dankbar! Und es tut wirklich gut, sich das immer mal wieder bewusst zu machen...in Zeiten, in denen es nicht gut läuft und in Zeiten, in denen es sehr gut läuft. Alle Begegnungen, alle Fehler die wir machen, alle Erfahrungen machen uns zu den Menschen, die wir sind!

Und so hat er tatsächlich gut getan, dieser Nachmittag zurück in die Vergangenheit.  In eine sehr intensive, lehrreiche Zeit, die ich erleben durfte. An die ich gar nicht mehr gedacht hatte...und die mir doch so viel zurückgegeben hat. Und so tue ich es doch - ich blicke zurück...und lächle.
Natascha