Donnerstag, 10. Oktober 2019

Wenn die Kinder selbstständig werden...

Wenn ich mich mit Freunden mit ähnlich kleinen (oder kleineren) Kindern unterhalte, habe ich oft den Eindruck, dass ein Thema in ganz vielen Eltern zwiespältige Gefühle weckt:

Dad Thema: Wenn die Kinder selbstständig(er) werden.

Und auch mir geht das so. Einerseits ertappe ich mich manchmal dabei (gerade wenn ich selbst hundemüde bin oder noch massig viel zu tun habe), dass ich mich schon darauf  freue, wenn meine Kinder mal alt genug sind, sich selbst ins Bett zu bringen. Wenn ich in Ruhe meinen Aufgaben nachgehen kann. Dann wiederrum geniesse ich genauso unser aktuelles Abendritual. Das gemeinsame Abendessen, das Zähne putzen, vorlesen, knuddeln und schliesslich auch ins Bett bringen. 

Einerseits finde ich es supertoll, wie gut ich mich mit meinen Kindern unterhalten kann, selbst zu kritischeren Themen (kürzlich habe ich mit meiner Tochter ernsthaft über den Waldbrand im Amazonas gesprochen - sie hatte was dazu im Radio aufgeschnappt und mich gefragt). Ich finde es faszinierend, welch kluge Gedanken meine Kinder haben und bin manchmal völlig platt, über welch (ungeahnten) Wortschatz sie bereits jetzt verfügen. Dann aber nervt es mich manchmal auch wieder, wenn sie einfach pausenlos reden, ich vielleicht in etwas vertieft bin und dann vor lauter Gequatsche keinen klaren Gedanken fassen kann. 

Einerseits bin ich happy, wie viel meine beiden schon selbstständig können. Wenn ich mir aber vor Augen führe, dass meine Tochter bereits in der dritten Klasse ist und mein Sohn nächstes Jahr eingeschult wird, kann ich es ebenso manchmal kaum fassen und könnte heulen, weil die Zeit so rast. 

Aber generell ist eines zu sagen: ich möchte meine Kinder zu selbstständigen Menschen erziehen. Ich möchte nicht, dass sie mit 48 Jahren noch im Hotel Mama wohnen, sich bekochen lassen und ich die schmutzige Wäsche aus ihren Zimmern aufsammle (eine absolute Horrorvorstellung). 

Meine Mutter hat mich immer verwöhnt, was den Haushalt anging. Ja echt. Ich musste nie waschen, selten abwaschen, nie kochen...ihre Devise war immer dass sie sich gerne darum kümmert. Und ich glaube, sie brauchte auch das Gefühl, gebraucht zu werden. Das verstärkte sich vor allem, als meine Schwester auszog und ich als letztes Küken im Nest saß. Ich kannte das nicht anders und habe daher nie hinterfragt, ob ich mehr mitanpacken sollte oder nicht. Dabei war ich immer sehr hilfsbereit eingestellt und hätte auch jederzeit bereitwillig geholfen, wenn es mir bewusst gewesen wäre oder ich gefragt worden wäre. Fakt ist: meine Mama starb sehr jung und sehr plötzlich. Und sie ließ mich zurück. Das "Küken in ihrem Nest", das nie wirklich zur Selbstständigkeit erzogen worden war. Für mich hatte dieses einschneidende Erlebnis zur Folge, dass ich sehr schnell sehr erwachsen werden musste. Es war eine echt harte Zeit voller Trauer, Verzweiflung und Unsicherheit was zu tun ist. Wie man einen Haushalt führt, wusste ich ja gar nicht. Ich hatte ja auch nicht mal mit meiner Ausbildung begonnen und hatte ursprünglich geplant, mir erst nach den zwei Jahren Ausbildung was eigenes zu suchen. Und dann waren es nicht einmal ganze zwei Monate und ich hatte meine eigenen 4 Wände. Ich war völlig überrumpelt und war plötzlich auf mich allein gestellt, mit einer beginnenden Ausbildung, in einer eigenen Wohnung und ohne den bis dato wichtigsten Menschen in meinem Leben. Glücklicherweise weiss niemand, wann der letzte Atemzug ist, aber allein um meinen Kindern dieselbe harte Schule zu ersparen die ich durchleben musste, ist es mir wichtig, dass sie selbständig werden. 

Konkret heisst das, dass meine beiden feste Aufgaben haben. Es ist nicht viel und doch ist es meiner Meinung nach wichtig, sodass meine Kinder es nicht schon voraussetzen, dass ich Ihnen alles hinterher räume. Sie räumen beide ihr eigenes schmutziges Geschirr nach dem Essen ab und abends räumen sie ihre Kleider eigenhändig auf - also schmutziges in die Wäschetrommel und den Rest zurück in den Schrank. Selbst mein Sohn mit 5 Jahren kann bereits seine Pullis zusammenfalten. Das klappt (wenngleich auch nicht immer perfekt, aber jeder hat ja mal klein angefangen). Und ich finde das auch nicht schlimm oder streng meinerseits. Es ist einfach ein erstes "mit-in-die-Verantwortung-nehmen" und ich denke, dass dieser Weg allemal einfacher ist, als wenn ich plötzlich meinem 14jährigen bis dato komplett verwöhnten Pubertier vermitteln will, dass die eigene Wäsche und das schmutzige Geschirr nicht meine (alleinige) Aufgabe ist. Bestimmt pflichten mir jetzt viele bei, sehen es vielleicht sogar - so wie ich - als Selbstverständlichkeit an, dass die Kids mithelfen. Und doch höre ich immer wieder, wenn meine Kinder anderswo essen von den erstaunten Eltern: "Sie/er hat einfach sein Geschirr nach dem Essen weggeräumt". Für meine Kids ist das längst selbstverständlich und natürlich freue ich mich auch immer sehr, wenn das auch anderswo  ohne Aufforderung durch mich funktioniert. 

Am Ende der Sommerferien wollte meine Tochter nicht in die Ferienbetreuung, ich jedoch musste vormittags arbeiten. Sie alleine zu lassen war für mich kein Problem , weil ich weiß , dass sie ein sehr zuverlässiges Mädchen ist und garantiert nicht die Wohnung in meiner Abwesenheit verwüstet. Und unabhängig davon wohnt ihre Oma ein Stockwerk unter uns...sollte also Not am Mann sein, ist eine Erwachsene nicht weit...
Wir haben das also versucht und ich muss sagen: es hat super geklappt 😊.  Meine Kids sind generell Kids, die sich auch gut und gerne mal allein beschäftigen. Die das manchmal regelrecht "zelebrieren", es geniessen und auch brauchen - die Zeit für sich alleine. Und auch das gehört für mich zur Selbständigkeit dazu, dass sie sich alleine beschäftigen können und nicht permanent irgendein Beschäftigungsangebot brauchen. Und das wiederrum bedeutet auch für mich als Person fernab vom "Mama-dasein" (welches ich übrigens liebe) eine Menge "Freiheit", Möglichkeiten auch meinen Hobbies nachzugehen oder ganz einfach auch mal relaxter - ohne Multitasking - den Haushalt zu schmeissen. 

Und nicht nur, dass sie "allein zu Hause" war, ich habe ihr für jeden Tag eine kleine To-do-Liste geschrieben. Diese bestand aus kleinen, zu bewältigenden Aufgaben. Zum Beispiel aus: Tisch abräumen, Spülmaschine aus- /einräumen, ihr Zimmer aufräumen, Müll runter bringen...meist 2 Aufgaben, die sie jeden Vormittag einfach (und ohne grossen Zeitaufwand) bewältigen konnte. Manche werden jetzt vielleicht denken "die Arme". Aber hat sie sich auch als "armes Kind" gefühlt? Mitnichten. Sie war stolz wie Bolle, das zu erledigen und mir zeitgleich tatsächlich sehr zu helfen. Und sie hat es jedem erzählt, was sie ganz alleine gemacht hat. Und ich hab mich natürlich auch gefreut, klar!

Gestern morgen - wir saßen beim Frühstück - hatten meine beiden die Idee, dass sie ihr Vesper für die Schule / Kindergarten selbst richten könnten. Und das haben sie auch gemacht, sie haben sich ihre Brote geschmiert, Obst und Gemüse geschnippelt und alles ordentlich eingepackt. Ich war völlig perplex, dachte an versteckte Kamera oder ähnliches... 

...und ich war stolz. Auf diese beiden kleinen Wesen, die doch schon so groß sind. Die schon jetzt selbständig sind und es von Tag zu Tag mehr werden. Und doch ist da wieder dieser Zwiespalt. Stolz einerseits ... andererseits 😭 sie werden so schnell gross 😆...

P.s.: meine Schwägerin hat mir kürzlich aus einer Zeitschrift einen Artikel- passend zum Thema - herausgetrennt. Ich fand's interessant und stelle ihn euch deshalb hier mal ein...gern geschehen 😉



LG 
Natascha 

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