Samstag, 25. Mai 2019

Von der Fähigkeit, sich entschuldigen zu können

Als ich es das erste Mal bewusst bemerkt habe, dachte ich, dass die Person vielleicht mit dem falschen Fuß aufgestanden ist. Ein paar Wochen später bei einer ähnlichen Situation aber anderen Person dachte ich: "Okay, vielleicht haben wir Vollmond oder so was"...und seitdem hatte ich hin und wieder ähnliche Erlebnisse...und so kann muss ich euch leider sagen: es gibt erschreckend viele Erwachsene, die sich nicht entschuldigen können! Ich will da sicher nichts verallgemeinern, wie immer gibt es auch andere (hoffentlich die Mehrheit), die es sehr wohl noch können und auch tun. Nur leider - das ist meine Erfahrung - sind die die es nicht können (oder nicht für nötig halten weil sie unfehlbar sind, weil sie über den Dingen stehen, weil sie das nicht brauchen oder aus weiss Gott was für einen irrsinnigen Grund) erschreckend viele. 

Und das entsetzt mich regelrecht! Und gleichzeitig finde ich das unglaublich traurig. Warum ist das so gekommen? Wann ist uns die Fähigkeit,  sich zu entschuldigen abhanden gekommen? Wieso ist es so schwer, auch mal selbstkritisch und ehrlich zu sein und einen Fehler zuzugeben?

Die meisten Kinder lernen bereits im Sandkasten, sich zu entschuldigen. Ich würde sagen, dass Eltern nach wie vor die gute Erziehung des eigenen Nachwuchses wichtig ist (okay, da  gibt es unterschiedliche Auffassungen über "gute Erziehung", aber grundsätzlich wisst ihr, was ich meine oder?). Also theoretisch hat jeder - vielleicht in unterschiedlichen Ausprägungen, aber immerhin - gelernt, wie das geht mit dem entschuldigen.

Und wie bei so vielem gibt es auch beim Thema entschuldigen noch eine Steigerung. Nämlich die, dass sich jemand nicht entschuldigt und darüber hinaus dir (der Person, die eine Entschuldigung verdient hätte) selbst ein schlechtes Gewissen machen will. So unter dem Motto: " Mir ging es so schlecht in der letzten Zeit und ich hab mich nicht gemeldet / das oder jenes nicht erledigt usw. weil ich so traurig/ängstlich/unsicher/krank war...und du hast dich ja nicht gemeldet, ich war so allein....".

Und die noch fiesere Steigerung vom "nicht-entschuldigen": Jemand entschuldigt sich nicht bei Dir und schiebt dafür (zum Dank) noch alle Schuld auf dich. Nur nicht zugeben, dass da ein Fehltritt war und dafür dem anderen ruhig zeigen, dass der auch nicht perfekt ist... Da werden schon mal gerne Stammtischparolen ausgegraben, wenn man nichts findet, wofür man den anderen beschuldigen kann. In etwa wie: " Du hast ja auch noch nie rechtzeitig das oder jenes gemacht/ du machst das ja auch immer, nie hörst du zu und nimmst Rücksicht, immer muss alles auf den letzten Drücker sein / obwohl ich es schon so oft erklärt habe, machst du das grundsätzlich falsch/ du hast mir da nichts gesagt, mich nicht informiert usw. Da gibt es sicher die vielfältigsten Beispiele, man würde staunen, wie kreativ und einfallsreich da manche Menschen werden können! 

Der Grund warum ich heute zum Thema entschuldigen schreibe ist, dass mir das erst diese Woche wieder selbst widerfahren ist. Und zwar die letzte (meiner Meinung nach fieseste Variante). Keine Entschuldigung, Hauptsache mal die Keule rundum geschwungen und mit Stammtischgeschwätz vom eigenen Fehlverhalten ablenken. Wie es mir dabei geht? Mir platzt bei sowas der Kragen. Weil ich das unverschämt finde, weil es dreist ist und nicht von einem guten Charakter zeugt. 

Bei mir ist es so: entschuldigt sich jemand nicht bei mir, dann hängt es natürlich von der Situation ab und auch von der Art der Beziehung in der ich zu der Person stehe. Meistens stehe ich drüber. Und ich bin da auch nicht nachtragend. Wenn es etwas ganz wichtiges ist, sage ich es auch schon mal, dass ich etwas nicht in Ordnung fand und mich über eine  Entschuldigung gefreut hätte (das ist aber eher selten der Fall - das muss ich zugeben - denn ich muss andere nicht erziehen und bin der Meinung, dass das im Zweifel jeder mit seinem eigenen Gewissen ausmachen muss). Die meisten haben ja ein Gewissen (die anderen tun mir leid). Aber sauer werde ich, wenn jemand versucht, die Schuld in andere Schuhe zu schieben um von sich abzulenken oder das eigene Fehlverhalten zu relativieren. Das ist wirklich mies und da ich einen grossen Gerechtigkeitssinn habe, reagiere ich entsprechend auch allergisch.  

Oft haben solche Personen ja mit dieser Taktik leider Erfolg,  denn das verunsichert das Gegenüber natürlich. Man überlegt: trage ich auch meinen Anteil daran und habe ich mich falsch verhalten? Und manche können dass dann vielleicht nicht 100%ig ausschliessen oder sagen sich, dass eine direkte Konfrontation das nicht wert ist, zu mühsam, "vergebene Liebesmüh" usw. Früher habe ich mich auch oft zurückgezogen und mir einfach meinen Teil gedacht, meine persönlichen Konsequenzen daraus gezogen etc. Aber mittlerweile bin ich der Meinung , dass ich alt genug bin (und vor allem stark genug), um mir so etwas nicht gefallen lassen zu müssen. Fazit aus meinem Erlebnis diese Woche: Pech für die Person, die versucht hat, sich mit Stammtischparolen rein zu waschen und den schwarzen Peter anderen zuzuschieben, denn ich habe die direkte Konfrontation gesucht und ein paar Dinge (deutlich) klar gestellt. 

Ich meine, was ist so schlimm daran, zuzugeben: okay, ich habe mich da falsch verhalten, ich habe Dich nicht informiert, ich hätte mich (eher) kümmern müssen, ich hab die Situation unterschätzt, ich habe nicht an dich gedacht usw.? Vertuschen, verschweigen , verleugnen...das macht doch alles nur schlimmer und den Fehler schon gar nicht wett! 

Und ich? Entschuldige ich mich auch selbst, wenn ich es sollte?  

Wie bei jedem ist es auch bei mir so, dass ich natürlich lieber andere Dinge tue, als festzustellen dass ich mich nicht richtig verhalten habe und jemandem eine Entschuldigung schuldig bin. Wer gibt schon gerne Fehler zu und freut sich darüber? Aber was ich noch mehr hasse ist das Gefühl, dass Dinge nicht geklärt sind, da noch etwas im Argen liegt (und ich daran schuld bin). Und ja: ich entschuldige mich, wenn es einen Grund dazu gibt und mir dieser auch bewusst ist. Wenn ich tatsächlich mal nichts merke, hoffe ich doch sehr, dass andere mich darauf aufmerksam machen, anstatt sich vielleicht zurückzuziehen, mir nicht mehr zu vertrauen oder ähnliches. Wir sind alle nur Menschen und machen Fehler - tagtäglich. Und wenn ich mich entschuldige ist es oft so, dass andere den Grund gar nicht als so schlimm empfunden haben, aber sich darüber freuen, dass man sich Gedanken gemacht hat und rücksichtsvoll war. Persönlich habe ich noch nie erlebt, dass ich mich entschuldigt habe und jemand diese Entschuldigung nicht angenommen hat...liegt aber auch vielleicht daran, dass ich bisher noch nie Dinge, die unverzeihlich sind begangen habe. Aber selbst wenn das so wäre, wenn jemand die Entschuldigung nicht annimmt bin ich mir trotzdem sicher, dass es mir nach meiner Entschuldigung besser gehen würde, denn das tut es tatsächlich immer. 

Manche sagen, dass es von Grösse zeugt, wenn man sich entschuldigt. Ich würde das nicht ganz so pathetisch sehen. Wenn es allerdings hilft, dass jemand sich entschuldigt der es auch sollte - bitteschön. Ich finde, sich zu entschuldigen zeugt auf jeden Fall von einem guten Charakter...und sich mit Leuten zu umgeben, die einen solchen besitzen, ist nie verkehrt. 

Also: Lasst uns doch alle erwachsen genug sein, uns zu entschuldigen wenn wir das sollten. Ganz ohne Relativierung, ohne Gegenschlag und ohne Schnickschnack. Wir alle machen Fehler und sollten auch dazu stehen. Für ein besseres, friedlicheres und aufrichtiges Miteinander - ganz so, wie wir es uns auch von unseren Kindern wünschen. 

In diesem Sinne euch ein schönes Wochenende, 
Natascha     



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